Ghosting: Das stille Verschwinden 

von | 21.06.2023

In meiner Arbeit als Thera­peutin sehe ich täglich, wie die digitale Welt Bezie­hungen formt und beein­flusst. Überra­schend ist das zuneh­mende Auftreten von “Ghosting”, bei dem scheinbar feste Verbin­dungen abrupt und ohne Vorwar­nung enden. Die Betrof­fenen stehen dann vor der Heraus­for­de­rung, dieses plötz­liche Schweigen zu verstehen und mit den daraus resul­tie­renden Unsicher­heiten umzugehen.

Was genau ist Ghosting?

Ghosting bezeichnet das abrupte Ende jegli­cher Kommu­ni­ka­tion. Es ist, als würde jemand, mit dem man in Kontakt stand, plötz­lich wie ein Geist aus dem Leben verschwinden. Dies kann in Freund­schaften, roman­ti­schen Bezie­hungen oder sogar im beruf­li­chen Kontext geschehen.

Die Gründe hinter dem Ghosting

Die Gründe für Ghosting können vielfältig sein. Oft spiegeln sie tiefer liegende emotio­nale Muster wider, beispiels­weise aufgrund von Schwie­rig­keiten im Bindungs­ver­halten.

Menschen mit Bindungs­ängsten fühlen sich oft inner­lich zerrissen, wenn Bezie­hungen inten­siver oder enger werden. Sie können sich unwohl oder überfor­dert fühlen. So kann Ghosting zur Flucht­stra­tegie werden, um dieser als überwäl­ti­gend wahrge­nom­menen Nähe zu entkommen. Dieses Verhalten ist nicht nur ein Versuch, Distanz zu schaffen, sondern dient oft auch als Selbst­schutz. Die tiefe Angst, verletzt zu werden, lässt die Betrof­fenen glauben, dass es sicherer ist, andere auf Abstand zu halten. Anstatt sich diesen Emotionen zu stellen und sie zu verar­beiten, wählen sie den Weg des geringsten Wider­stands und brechen den Kontakt ab.

Die psychi­schen Auswir­kungen von Ghosting

Das Phänomen des Ghostings hinter­lässt bei den plötz­lich Verlas­senen oft eine tiefe emotio­nale Verwüs­tung. Dieses unvor­be­rei­tete und unerklär­liche Verschwinden kann zu einer komplexen Mischung aus Emotionen und Gedanken führen, die weit über das einfache Gefühl der Enttäu­schung hinaus­geht.

Zu den dominie­renden Gedanken, die sich in den Köpfen der Betrof­fenen festsetzen, gehören Selbst­zweifel. Die Verlas­senen beginnen, jedes Detail ihrer Inter­ak­tionen mit der Person, die sie “geghostet” hat, zu überdenken. Fragen wie “Habe ich etwas falsch gemacht?”, “War ich nicht gut genug?” oder “Hätte ich etwas anders machen sollen?” können das Denken beherr­schen. Diese Selbst­zweifel können das Selbst­wert­ge­fühl und das Selbst­ver­trauen erheb­lich beein­träch­tigen, da die Betrof­fenen das Gefühl haben, in irgend­einer Weise unzurei­chend zu sein.

Zusätz­lich zur Selbst­kritik ist Verwir­rung ein weiteres vorherr­schendes Gefühl. In einer Welt, in der klare Kommu­ni­ka­tion oft als Schlüssel zu gesunden Bezie­hungen betrachtet wird, hinter­lässt das Fehlen einer Erklä­rung oder eines Abschlusses eine Lücke. Diese Lücke füllt sich oft mit Unsicher­heit und dem ständigen Bedürfnis nach Antworten. Das Nicht­wissen, was wirklich passiert ist, kann zu einer Vielzahl von Symptomen wie Schlaf­lo­sig­keit, ständigem Grübeln oder tiefer Traurig­keit führen.

Psycho­the­rapie kann helfen

Das Erlebnis des Ghostings kann tiefgrei­fende emotio­nale Narben hinter­lassen, die ohne angemes­sene Unter­stüt­zung schwer zu bewäl­tigen sind. Eine Psycho­the­rapie kann dabei helfen, die tief verwur­zelten Selbst­zweifel und Unsicher­heiten, die durch das Ghosting entstehen, zu erkennen und zu bearbeiten. Anstatt sich selbst die Schuld zu geben oder sich als unzurei­chend zu betrachten, können Betrof­fene lernen, das Ghosting als das zu sehen, was es oft ist: ein Ausdruck der Unfähig­keit oder des Unwil­lens der anderen Person, mit schwie­rigen Emotionen oder Situa­tionen umzugehen.

Oft ist es im Rahmen einer Psycho­the­rapie auch hilfreich, das Erlebnis des Ghostings in einen größeren Kontext des eigenen Lebens und der eigenen Bezie­hungs­muster zu stellen. Durch ein tieferes Verständnis ihrer eigenen Geschichte und ihrer Bezie­hungs­dy­na­miken können Betrof­fene oft Muster erkennen und Strate­gien entwi­ckeln, um in der Zukunft gesunde und erfül­lende Bezie­hungen zu führen.

Abschlie­ßende Gedanken

Ghosting ist zweifellos ein schmerz­haftes Erlebnis, das tiefe emotio­nale Wunden hinter­lassen kann. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass es Wege gibt, diese Wunden zu heilen und zu lernen, neue Kontakte vertrau­ens­voll einzu­gehen. Psycho­the­rapie kann ein wertvolles Werkzeug sein, um den Schmerz zu verar­beiten und zu einem Gefühl des Gleich­ge­wichts und der Selbst­ak­zep­tanz zurück­zu­kehren.

Sabine Kemmler

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